Einforderung von Arbeitsproben im Rahmen von Ausschreibungen – berufsrechtliche Grenzen

Im Rahmen von Ausschreibungen gemäß Art. 16 Abs. 3 der Verordnung (EU) 537/2014 werden von den teilnehmenden Wirtschaftsprüfern / Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in zunehmendem Maße Arbeitsproben eingefordert. Die Interessenlage der Unternehmen ist einerseits nachvollziehbar. Andererseits ruft diese Praxis aus Sicht der WPK berufsrechtliche Bedenken hervor, wenn sich die Arbeitsproben auf Sachverhalte beziehen, die von konkreter Bedeutung für die Rechnungslegung des ausschreibenden Unternehmens sind.

In diesem Fall würde eine Arbeitsprobe zunächst eine Second Opinion im Sinne von § 39 Abs. 5 BS WP/vBP darstellen. Sie dürfte daher nur nach vorheriger Erörterung des Sachverhalts mit dem Abschlussprüfer des Unternehmens erstellt werden, der zu diesem Zweck von seiner Schweigepflicht zu entbinden wäre. Dies wird in den meisten Fällen nicht gewollt sein.

Unabhängig davon, ob eine Erörterung mit dem derzeitigen Abschlussprüfer erfolgte, kann die Erstellung einer Arbeitsprobe, soweit sie einen konkreten Sachverhalt aus der Rechnungslegung des Unternehmens betrifft, bei der späteren Durchführung der Abschlussprüfung zur Besorgnis der Befangenheit führen (§ 49 Alt. 2 WPO, § 29 BS WP/vBP). Aus Sicht eines objektiven Dritten spricht vieles dafür, dass sich der (neue) Abschlussprüfer im Umfang der abgegebenen Arbeitsprobe vorab de facto festgelegt hat. Im Unterschied zu einer zulässigen Vorabauskunft des bereits bestellten Abschlussprüfers erscheint es im Stadium der Ausschreibung (also noch vor der Wahl und Beauftragung) jedoch zusätzlich möglich, dass der Wirtschaftsprüfer sich bei der Erstellung der Arbeitsprobe von sachwidrigen Erwägungen leiten lässt, um den Auftrag zu erhalten. Daraus resultiert die Gefahr, dass der Wirtschaftsprüfer eine fachlich unzureichende Aussage zu einem konkreten Bilanzierungssachverhalt, die er so getroffen hat, um als Abschlussprüfer bestellt zu werden, im Rahmen der Prüfung wiederholt. Insofern können Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Urteilsbildung unsachgemäß zu beeinflussen (§ 29 Abs. 3 Satz 1 BS WP/vBP).

Die Erstellung von Arbeitsproben, die sich nicht auf konkrete Bilanzierungssachverhalte beziehen, ist demgegenüber aus berufsrechtlicher Sicht grundsätzlich unbedenklich. Die Arbeitsproben sollten allerdings in einem angemessenen Verhältnis zur ausgeschriebenen Abschlussprüfung stehen und vorsorglich mit dem Zusatz versehen werden, dass keine Bindungswirkung besteht, wenn ein vergleichbarer Sachverhalt Gegenstand der durchzuführenden Abschlussprüfung sein sollte.