Bedeutung von Kooperationen bei der Entwicklung von Software

Weitere Praxishinweise
- Abschlussprüfung
- Arbeitsproben bei Ausschreibungen
- Auftragsdatei und Siegelliste
- Datenschutz
- Durchsuchung und Beschlagnahme
- Elektronische Prüfungsvermerke und -berichte
- Informationspflichten (E-Mails/Internet/AGB)
- International Standards on Auditing (ISA)
- Internes Hinweisgebersystem („Whistleblowing“)
- Kundmachung/Werbung
- Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung
- Netzwerk
- Siegelführung
- Softwareentwicklung (Kooperation)
- Vergabeverfahren
- Verpackungsgesetz – Prüfung und Bestätigung von Vollständigkeitserklärungen
- Versicherung
IESBA erweitert Code of Ethics zum Thema Technology
Die Bedeutung des Themas Technologie für den Berufsstand belegen auch die am 15. Dezember 2024 in Kraft tretenden Änderungen des vom International Ethics Standards Board (IESBA) veröffentlichten Code of Ethics zum Thema „Technology“. Zwar lassen sich die Neuerungen nach den Feststellungen des Ausschusses Berufsrecht der WPK durch die allgemeinen Grundsätze des in Deutschland geltenden Berufsrechts auffangen, sodass kein Änderungsbedarf etwa der WPO oder der BS WP/vBP besteht. Allerdings möchte der Ausschuss Berufsrecht bei dieser Gelegenheit auf die bei der Eingehung von Kooperationen bei der Entwicklung von Software geltenden berufsrechtlichen Grenzen hinweisen.
Berufsrechtliche Grundsätze
Tangiert sind vor allem die Berufsgrundsätze des Verbots der gewerblichen Tätigkeit, der Verschwiegenheit, Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit.
Verbot der gewerblichen Tätigkeit*
Bevor eine Kooperation mit einem Softwareanbieter eingegangen wird, ist stets die Frage zu klären, ob diese für WP/vBP überhaupt zulässig oder als gewerbliche Tätigkeit untersagt ist (§ 43a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WPO). Der Beitrag im WPK Magazin 4/2020, Seite 56 ff. kommt im Zusammenhang mit der Digitalisierung beruflicher Dienstleistungen zu dem Ergebnis, dass IT-Dienstleistungen zulässig sind, solange sie im Rahmen eines Beratungsmandats erfolgen, in welchem eine Standardsoftware an die Bedürfnisse des Mandanten angepasst wird (Customizing) oder der Mandant zuvor bei der Auswahl der für ihn geeigneten Standardsoftware unterstützt wird (Annexleistung). Der reine Vertrieb von Software – etwa gegen Abrechnung einer Lizenzgebühr – stellt hingegen eine gewerbliche Tätigkeit dar.
Verschwiegenheit
Die Verschwiegenheitspflicht ist tangiert, wenn mandatsbezogene Informationen an Dritte weitergegeben werden. Solche können Softwareanbieter oder andere Berufsangehörige sein, mit denen gemeinsam eine Software entwickelt wird. In diesen Fällen muss die Genehmigung der Mandanten zur Weitergabe der Informationen vorliegen.
Eigenverantwortlichkeit
Der Grundsatz der eigenverantwortlichen Berufsausübung kennzeichnet den Beruf des WP/vBP als Freien Beruf. Jeder WP/vBP muss seine beruflichen Entscheidungen selbst treffen und hierfür die Verantwortung übernehmen. Eine Kooperation darf daher kein Abhängigkeitsverhältnis zu Lasten des Berufsangehörigen schaffen, das ihm eine eigenverantwortliche Entscheidung verwehrt.
Unabhängigkeit
Unabhängigkeitsrelevante Vorschriften greifen allgemein dahingehend, dass WP/vBP keine Bindungen eingehen dürfen, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO; § 2 Abs. 1 BS WP/vBP).
Bei Prüfungs- oder Gutachtenmandaten greifen weitere, spezielle Tatbestände. Besonders relevant ist insoweit das sogenannte Selbstprüfungsverbot (§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a) HGB sowie §§ 49 Alt. 1 WPO in Verbindung mit §§ 29, 33 BS WP/vBP). Der WP/vBP darf nicht überprüfen, was er selbst maßgeblich mitgestaltet hat.
So kann die Unabhängigkeit nach den Erläuterungen zu § 33 Abs. 6 BS WP/vBP durch Selbstprüfung beispielsweise gefährdet sein, wenn der WP/vBP in dem Zeitraum, auf den sich die Prüfung bezieht, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Systemen der Informationstechnologie für den Mandanten erbracht hat. Konkret geht es bei diesem Beispiel um die Entwicklung oder Einführung von Hard- oder Softwaresystemen, die Teil der für die Prüfungstätigkeit relevanten unternehmensinternen Kontrollen sind oder Informationen einschließlich der Quelldaten in Bereichen erzeugen, zu denen der WP/vBP ein Prüfungsurteil abgibt.
Zudem entsteht die Gefahr einer Selbstprüfung, wenn der WP/vBP an der Softwareentwicklung (allein oder gemeinsam mit Dritten – gegebenenfalls auch seinem Kooperationspartner) für einen bestimmten Prüfungsmandanten mitwirkt. Dies gilt auch dann, wenn ein Dritter die Softwareentwicklung allein übernimmt und der WP/vBP als gesetzlicher Abschlussprüfer im Rahmen der individuellen Anpassung an die Bedürfnisse der Mandanten konkrete Gestaltungshinweise gibt, die sich wesentlich auf den zu prüfenden Jahresabschluss auswirken.
Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Gefahr einer Selbstprüfung auch dann entstehen, wenn der WP/vBP an der Entwicklung einer mandatsunabhängigen Software mit Relevanz für Rechnungslegung mitwirkt und diese Software (mit oder ohne sein Zutun) von seinen Prüfungsmandanten eingesetzt wird.
Nicht gefährdet ist die Unabhängigkeit in den vorgenannten Fällen, wenn die Tätigkeiten von lediglich untergeordneter Bedeutung sind. So kann der WP/vBP zwar daran mitwirken, eine Buchhaltungssoftware bei dem Mandanten einzuführen und an dessen Bedürfnisse anzupassen. Wenn sich diese Anpassungsleistung jedoch nicht wesentlich auf den Prüfungsgegenstand auswirkt, ist dies unschädlich.
Ein weiteres Beispiel, wonach keine Unabhängigkeitsgefährdung vorliegt, wird in den Erläuterungstexten zu § 33 Abs. 6 BS WP/vBP dargestellt. Hier geht um den Fall, dass der Abschlussprüfer eine prüferische Beurteilung nach IDW PS 850 vornimmt. Dabei begleitet der Abschlussprüfer den Prüfungsmandanten bei der Entwicklung, Einführung, Änderung oder Erweiterung IT-gestützter Rechnungslegungssysteme. Gegenstand seiner Prüfung sind dabei die in den verschiedenen Projektphasen getroffenen Entscheidungen der Unternehmensleitung. Diese Tätigkeit wirkt sich nach dem Konzept des IDW PS 850 nur mittelbar auf den Prüfungsgegenstand aus. Es ist damit gerade keine prüferische Durchsicht mit dem Ziel gemeint, eine kritische Würdigung der durchgeführten Maßnahmen auf der Grundlage von Befragungen vorzunehmen und Plausibilitätsbeurteilungen abzugeben (IDW PS 850, Rn. 5).
Besonderheiten bei PIE-Mandaten
Ist das zu prüfende Unternehmen ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 16a Satz 2 HGB, dann greift zudem das Verbot der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 in Artikel 5 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. e) zur Gestaltung und Umsetzung interner Kontroll- oder Risikomanagementverfahren, die bei der Erstellung und/oder Kontrolle von Finanzinformationen oder Finanzinformationstechnologiesystemen zum Einsatz kommen. Auch hier kommt zum Ausdruck, dass Gestaltungsmaßnahmen in Bezug auf das Rechnungslegungssystem und den Rechnungslegungsprozess unzulässig sind. Dies umfasst sowohl die Gestaltung selbst als auch die Umsetzung beim Mandanten (vgl. Justenhoven/Nagel, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 14. Aufl. 2024, § 319 Rn. 160). Aufgrund des Verbotstatbestands sind bei der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse auch Mitgestaltungen und Mitumsetzungen von untergeordneter Bedeutung unzulässig.
Fallkonstellationen
Vor diesem Hintergrund werden nun die nachfolgenden Fallkonstellationen eingeordnet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Prüfungs- und Gutachtenmandate, bei denen – wie zuvor dargestellt – aus Unabhängigkeitsgesichtspunkten einer Kooperation mit Softwareanbietern enge Grenzen gesetzt sind.
Empfehlung, Vermittlung, (Weiter)Lizenzierung einer Software an Beratungsmandanten
Es stellt sich die Frage, ob WP/vBP ihren Mandanten die Software eines Softwareanbieters empfehlen, vermitteln oder (weiter)lizenzieren dürfen.
Die unentgeltliche Empfehlung oder Vermittlung ist regelmäßig unschädlich und erfolgt meist im Rahmen eines Beratungsmandats mit dem Mandanten (zum Beispiel Steuerberatung).
Wird dem WP/vBP für die Vermittlung vom Anbieter der Software ein separates Entgelt versprochen, verbietet zwar § 55 Abs. 2 WPO die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Vergütung oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen (zum Beispiel eine Provision) auch gegenüber Dritten. Dies dürfte allerdings nur für die Vermittlung von Aufträgen gelten, die die berufliche Tätigkeit des WP/vBP umfassen. Die Vermittlung eines Kaufvertrags zwischen dem Mandanten und einem Softwareanbieter dürfte hiervon also nicht erfasst sein. Die Empfehlung und Vermittlung einer Software wird dagegen, soweit dem WP/vBP hierfür im Erfolgsfall vom Anbieter eine Provision gezahlt wird, in der Regel als maklerähnliches und damit gewerblich geprägtes Geschäft eingestuft und ist aus diesem Grund unzulässig (§ 43a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WPO). Außerdem bestehen hier Bedenken mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Unabhängigkeit des WP/vBP. WP/vBP dürfen keine Bindungen eingehen, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO, § 2 Abs. 1 Satz 1 BS WP/vBP). Dies ist etwa der Fall, wenn WP/vBP für den auf ihre Beratung zurückgehenden Kauf eines bestimmten Softwareprodukts durch den Mandanten vom Softwareanbieter eine Provision erhalten würden. Dass Vergütungsgestaltungen die allgemeine Unabhängigkeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO, § 2 BS WP/vBP beeinträchtigen können, zeigt ein Blick in den Katalog des § 2 Abs. 2 BS WP/vBP.
Die Zulässigkeit der (Weiter-)Lizenzierung einer bestehenden Software hängt davon ab, ob WP/vBP die Software selbst weiterentwickeln, diese speziell an die Bedürfnisse eines Mandanten anpassen (Customizing) oder die (Weiter-)Lizenzierung sich als Teil einer an den Mandanten erbrachten Beratung einordnen lässt (Annex). Der reine Weitervertrieb der Software gegen eine Lizenzgebühr ist hingegen regelmäßig gewerblich und damit unzulässig.
Zulässig kann eine (Weiter)Lizenzierung aber dann sein, wenn WP/vBP ihr betriebswirtschaftliches oder prüferisches Know-how in eine (gegebenenfalls auch bestehende) Software integrieren, diese also weiterentwickeln, und an Mandanten oder andere WP/vBP verkaufen, die diese Software verwenden und damit die in der Software gebündelten Beratungsleistungen der entwickelnden WP/vBP in Anspruch nehmen.
Kooperation mit Softwareanbieter zur Entwicklung und zum Vertrieb oder zum reinen Vertrieb einer Software
Die Zulässigkeit einer derartigen Kooperation hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Die vertragliche und organisatorische Gestaltung der Zusammenarbeit darf vor allem die Grundsätze der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit nicht gefährden (vgl. Uhlmann, in Hense/Ulrich, WPO-Kommentar, 4. Aufl. 2022, § 43a Rn. 216).
Die reine Entwicklung einer Software ist berufsrechtlich unproblematisch, soweit WP/vBP etwa ihr betriebswirtschaftliches oder prüferisches Know-how in ein IT-Produkt integrieren und der Softwareanbieter die technische Umsetzung vornimmt. Dies könnte vertraglich etwa in Form der Beratung des Software-Unternehmens durch WP/vBP gegen einmaliges Entgelt oder gegen eine Art Gewinnbeteiligung erfolgen. Wann die Unabhängigkeit beim Vertrieb der Software an Prüfungsmandanten des WP/vBP gefährdet ist, wird oben ausgeführt.
Im Rahmen des Vertriebs dieser gemeinsam entwickelten Software erfolgt die Abrechnung der Lizenzgebühr unmittelbar zwischen dem Softwareanbieter und dem Mandanten. Zwischen diesen wird ein Lizenzvertrag geschlossen. Eine Abrechnung von Lizenzgebühren von WP/vBP gegenüber dem Mandanten weist auf eine unzulässige Gewerblichkeit hin. WP/vBP schließen vielmehr mit dem Mandanten einen Beratungsvertrag ab und unterstützen ihn bei der Implementierung der Software und Anpassung an dessen Bedürfnisse.
Sobald der Einführungsprozess der Software im Unternehmen des Mandanten abgeschlossen ist, endet regelmäßig auch das Beratungsmandat. In den Folgejahren erfolgt in der Regel allenfalls ein technischer Support seitens des Softwareanbieters. Jedoch ist meist keine laufende Beratungsleistung von WP/vBP mehr erforderlich. Die reine Bereitstellung und Abrechnung von Lizenzkosten in den Folgejahren durch den WP/vBP ohne Erbringung von parallelen Beratungsleistungen würde – wie zuvor dargestellt – regelmäßig eine gewerbliche Tätigkeit darstellen.
Einbau einer Software in eigene Softwarelösungen (teilweise unter Zugriff auf die Software durch den Mandanten)
Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn WP/vBP eine Software eines Softwareunternehmens in eigene Softwarelösungen – etwa im Steuerberatungsbereich – einbauen, auf die auch der Mandant Zugriff haben soll. Hier ist davon auszugehen, dass Grundlage der Beziehung mit dem Mandanten letztlich ein Beratungs- oder sonstiger Auftrag ist, für den eine eigene oder fremde Software genutzt wird. In welchem Umfang die Fremdsoftware in eine eigene eingebaut werden darf, muss mit dem Softwareanbieter vereinbart werden. Zudem muss der Mandant mit der Verwendung seiner Daten in dieser Software einverstanden sein. Sofern die Möglichkeit besteht, dass der Softwareanbieter die Daten der Mandanten einsehen kann, muss mit dem Dienstleister eine Vereinbarung nach § 50a WPO geschlossen werden.
Stand: 12. Juni 2025