Berufsrecht
1. Dezember 2022

Nutzung eines elektronischen Postfachs ab 1. Januar 2023

Ich bin Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und übe meine Berufe in eigener Praxis und als Partner einer reinen WPG aus. Sowohl in der eigenen Praxis als auch in der WPG führe ich für Mandanten finanzgerichtliche Verfahren. Als Steuerberater werde ich zum 1. Januar 2023 ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) erhalten. Was gilt für mich als Wirtschaftsprüfer und meine WPG? Und welche Rolle spielt dabei meine Bestellung als Steuerberater, sowohl in meiner eigenen Praxis als auch in meiner WPG?

Zusammenfassend (die Ausführungen gelten für vBP sinngemäß):


  • Nur-WP/-WPG sind nicht verpflichtet, Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. als elektronische Dokumente zu übermitteln, können es aber.
  • In Ihrer eigenen Praxis sind Sie als WP/StB dazu zumindest dann verpflichtet, wenn Sie mit der Berufsbezeichnung StB auftreten. Wegen uneinheitlicher Rechtsprechung empfiehlt es sich aber, den sichersten Weg zu beschreiten und stets das beSt zu benutzen.
  • Ihre reine WPG ist selbst nicht verpflichtet, ein elektronisches Postfach zu verwenden (siehe erster Punkt). Da die Gesellschaft von Ihnen als WP und StB organschaftlich vertreten wird, empfiehlt es sich wegen insoweit unklarer Rechtsprechung den sichersten Weg zu beschreiten und Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. über das beSt bei Gericht einzureichen. Alternativ kann sich Ihre WPG für den elektronischen Rechtsverkehr ein eigenes besonderes elektronisches Organisationenpostfach einrichten.

Im Einzelnen:

Bestellung nur als WP

WP, die nicht zugleich StB oder RA sind, sind nicht zur aktiven Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet.

Der Gesetzgeber hat die Finanzgerichte für alle Beteiligten für den elektronischen Rechtsverkehr geöffnet. Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. können als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden (§ 52a Abs. 1 FGO).

Rechtsanwälte und Behörden müssen Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. als elektronische Dokumente übermitteln (§ 52a Abs. 1 Satz 1 FGO). Gleiches gilt für vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften steht ab dem 1. Januar 2023 das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) als solcher sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung (vgl. BT-Drs. 19/30516, 64). Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften müssen daher Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. ab den 1. Januar 2023 als elektronische Dokumente übermitteln.

Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften steht kein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung. Ein dem beSt der Steuerberater oder dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) vergleichbares besonderes elektronischen Wirtschaftsprüferpostfach ist derzeit nicht geplant. Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind daher nicht verpflichtet, Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. als elektronische Dokumente zu übermitteln (vgl. BFH), können es aber.

Möchten WP, die nicht zugleich StB oder RA sind, am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen, können sie eine absenderbefähigte De-Mail verwenden oder sich ein besonderes elektronisches Bürgerpostfach einrichten.

Bestellung als WP und als StB oder RA

WP, die zugleich StB oder RA sind, sind zur aktiven Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr zumindest verpflichtet, wenn sie mit der Berufsbezeichnung StB oder RA auftreten. Wegen uneinheitlicher Rechtsprechung empfiehlt es sich aber, den sichersten Weg zu beschreiten und stets das beA / das beSt zu benutzen.

In der Rechtsprechung ist nicht geklärt, ob die Pflicht zur Nutzung eines besonderen elektronischen Postfachs (beA oder beSt) durch den Status, also die Zulassung als RA oder StB, oder die konkrete Rolle, also insbesondere den Auftritt als RA oder StB, bestimmt wird.

Zur bisherigen Entwicklung der Rechtsprechung:

  • FG Berlin-Brandenburg - März 2022
    Zunächst hatte FG Berlin-Brandenburg im März 2022 für einen WP/StB/RA entschieden, dass die Zulassung als WP und StB an der Pflicht, als RA einen sicheren Übermittlungsweg zu verwenden, nichts ändere. Die Berufsausübungspflichten als Rechtsanwalt seien nicht teilbar und würden allein an die Zulassung als Rechtsanwalt anknüpfen. Eine Wahlfreiheit widerspräche dem Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht, denn die Nutzungspflicht soll die Digitalisierung der Justiz allgemein fördern (FG Berlin-Brandenburg, 8. März 2022 – 8 V 8020/22, DStR 2022, 1831).
  • BFH - April 2022
    Der BFH hat im April 2022 entschieden, dass ein StB, der zugleich eine Zulassung als RA besitzt, zur Nutzung seines beA verpflichtet sei, wenn er auf dem Briefbogen des eingereichten Dokumentes mit  beiden Berufsbezeichnungen aufgetreten ist und das Dokument in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt unterzeichnet habe  (BFH, 27. April 2022, XI B 8/22, BB 2022, 2082).
  • FG Berlin-Brandenburg - Juli 2022
    Im Juli 2022 ist das FG Berlin-Brandenburg daraufhin erneut davon ausgegangen, dass die Nutzungspflicht für einen StB/RA an den Status als RA anknüpfe, hat es aber mit Blick auf den konkreten Fall ausdrücklich dahingestellt bleiben lassen, ob etwas anderes zu gelten habe, wenn ein StB/RA explizit und ausschließlich als StB auftreten würde (FG Berlin Brandenburg, 6. Juli 2022 – 9 K 9009/22, EFG 2022, 1665).
  • BFH - August 2022
    Im August 2022 hat der BFH zur Begründung der Nutzungspflicht sowohl an das Auftreten als RA in eigener Sache angeknüpft als auch auf den Status als RA abgestellt (BFH, 23. August 2022 – VIII S 3/22, DStR 2022, 1908).
  • FG Düsseldorf - September 2022
    Das FG Düsseldorf knüpft ausdrücklich an die Entscheidung des BFH aus dem August 2022 an und ist der Auffassung, dass es einem Berufsträger möglich sei, auch ohne Nutzung einer elektronischen Übermittlung formgerecht Klage per Fax zu erheben, wenn bei Gericht nicht als professioneller Einreicher in Erscheinung getreten, sondern von dem Selbstvertretungsrecht Gebrauch gemacht wird (FG Düsseldorf, Urteil vom 19. September 2022 – 8 K 670/22 E,U, juris).

Tätigkeit in einer reinen WPG mit StB oder RA als organschaftliche Vertreter

WPG, die auch durch RA oder StB organschaftlich vertreten werden, sind selbst nicht verpflichtet, Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. über das beA dieser RA oder des beSt der StB bei Gericht einzureichen. Wegen uneinheitlicher Rechtsprechung empfiehlt es sich aber, den sichersten Weg zu beschreiten und Schriftsätze, Anträge, Erklärungen etc. über das beA oder beSt organschaftlicher Vertreter bei Gericht einzureichen. Alternativ kann sich die WPG für den elektronischen Rechtsverkehr ein eigenes besonderes elektronisches Organisationenpostfach einrichten.

Zur bisherigen Entwicklung der Rechtsprechung:

  • Hessisches FG - Mai / Juni 2022
    Das Hessische FG hat wiederholt die Auffassung vertreten, dass eine GbR oder eine Partnerschaftsgesellschaft, der neben anderen Berufsträgern auch RA angehören, nicht verpflichtet ist, sämtliche finanzgerichtlichen Klageverfahren über das beA des RA abzuwickeln. Der RA ist weder eine Art elektronische Poststelle für die von den übrigen Gesellschaftern als StB eigenverantwortlich geführten Steuerprozessmandate der Gesellschaft noch kann er durch eine Verpflichtung zur Einreichung zur Befassung mit dem jeweiligen Mandat und damit gegebenenfalls zur persönlichen Haftung verpflichtet werden (Hessisches FG, 10. Mai 2022 – 4 K 214/22, Stbg 2022, 356; Hessisches FG, 2. Juni 2022 – 4 K 495/22, juris).
  • FG Rheinland-Pfalz - Juli 2022
    Reicht ein Berufsträger, der (zumindest auch) als RA zugelassen ist einen Schriftsatz für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei einem Finanzgericht nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach ein, ist dieser formunwirksam, denn die Nutzungspflicht knüpft allein an dessen Status bzw. Zulassung (auch) als RA an (FG Rheinland-Pfalz, 12. Juli 2022 – 4 V 1340/22, EFG 2022, 1547).
  • LArbG Hamm - September 2022 / ArbG Stuttgart - Juli 2022
    Das LArbG Hamm und das ArbG Stuttgart gehen in Übereinstimmung mit den vorgenannten finanzgerichtlichen Entscheidungen davon aus, dass ein Jurist, der im Rahmen seiner Verbandstätigkeit nach außen nicht erkennbar als Syndikus-RA auftritt, bis zum Beginn der aktiven Nutzungspflicht der Verbände weiterhin wirksam Schriftsätze in Papierform einreichen kann (ArbG Stuttgart, 18. Juli 2022 – 4 Ca 1688/22, juris; LArbG Hamm, 27. September 2022 – 10 Sa 229/22, juris).
uh

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