Berufsrecht
11. April 2019

Regelfrist für die Datenlöschung

Im Organisationshandbuch unserer Gesellschaft möchten wir ein Löschkonzept vorsehen, wonach Mandantendaten nach Ablauf von dreißig Jahren nach Beendigung des jeweiligen Auftrags zu löschen sind. Wir halten eine Regelfrist dieser Länge für angemessen, da Schäden zum Beispiel bei Mandaten, die eine Gestaltungsberatung zum Gegenstand haben, sehr spät eintreten können. Sicherheit vor einer Inanspruchnahme durch den Mandanten oder dessen Rechtsnachfolger besteht daher erst nach Ablauf der dreißigjährigen Maximalverjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB). Ist die Festlegung einer entsprechenden Regelfrist für die Datenlöschung vor diesem Hintergrund zulässig?

Im Normalfall nicht. Die Löschfristen bestimmen sich nach den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen, wobei eine Verlängerung über die gesetzlichen Fristen hinaus zulässig ist, wenn und soweit berechtigte Interessen der WP/vBP-Praxis diese erforderlich machen und entgegenstehende Interessen des Mandanten nicht überwiegen (Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 f DSGVO). Grundsätzlich besteht an der Speicherung mandatsbezogener Informationen bis zum Ablauf gesetzlicher Verjährungsfristen ein berechtigtes Interesse des WP/vBP, da hierdurch die Abwehr behaupteter Schadensersatzansprüche aus dem Mandatsverhältnis erleichtert wird. Entgegenstehende Interessen des Mandanten relativieren sich schon dadurch, dass der WP/vBP gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und mandatsbezogene Informationen Dritten daher nicht unbefugt offenbaren darf.

Allerdings dürfte im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sein, dass die gesetzliche Regelverjährungsfrist gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners verjähren Schadensersatzansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB). § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB, wonach Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände in dreißig Jahren von dem schadensauslösenden Ereignis an verjähren, ist demgegenüber ein Auffangtatbestand für außergewöhnlich spät eintretende Schäden.

Vertretbar erscheint es, bei der Festlegung von Regelfristen für die Datenlöschung an die Zehnjahresfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB anzuknüpfen. Dies entspricht der gesetzgeberischen Entscheidung für die Handakte „im engeren Sinne“ (§ 51b Abs. 2 Satz 1 WPO). Hingegen wird die dreißigjährige Frist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB bei der überwiegenden Zahl der WP/vBP-Praxen nur im Ausnahmefall maßgeblich sein, was einer Übernahme als Frist, die für den Regelfall gelten soll, entgegensteht. Dies schließt es natürlich nicht aus, die Löschfristen für bestimmte Mandate, bei denen eine entsprechende Gefährdungslage besteht (zum Beispiel Beratungsaufträge zur Ausgestaltung eines Ehevertrags, eines Testaments oder gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln), bis zur Erreichung der Maximalverjährungsfrist zu verlängern. Es gilt der Grundsatz, dass WP/vBP mandatsbezogene Daten speichern dürfen, solange die Möglichkeit einer Inanspruchnahme auf Schadensersatz besteht. Daher sollte geprüft werden, ob aus Vorsichtsgründen eine dreißigjährige Aufbewahrung mandatsbezogen gerechtfertigt ist. Die Dreißigjahresfrist als Regelfrist für die Datenlöschung vorzusehen, dürfte allerdings erst dann gerechtfertigt sein, wenn der späte Schadenseintritt ein typisches Risiko für nahezu sämtliche Mandate der Praxis darstellt.

Hinsichtlich des Beginns der Regelfrist ist es aus Praktikabilitäts- und Zumutbarkeitsgründen gerechtfertigt, nicht wie in § 51b Abs. 2 Satz 1 WPO auf den Zeitpunkt der Mandatsbeendigung, sondern entsprechend § 199 Abs. 1 BGB auf das Ende des Jahres abzustellen, in dem das Mandat beendet wurde. So kann nach Fristablauf die Datenlöschung für die betroffenen Mandate einheitlich durchgeführt werden.

Darüber hinaus ist es zulässig und empfehlenswert, die Regelfrist um einen angemessenen zeitlichen Zuschlag (10+x) zu verlängern, da die Verjährung durch Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheids kurz vor Verjährungseintritt auch dann gehemmt wird, wenn die Zustellung nach Ablauf der Frist, aber „demnächst“ erfolgt (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i. V. m. § 693 Abs. 2 ZPO). Endet die Verjährung kurz vor dem Jahresende, kann es unter Berücksichtigung erhöhter Gerichtslaufzeiten dazu kommen, dass eine Zustellung mit verjährungshemmender Wirkung erst im Laufe des Januars oder Februars des Folgejahres erfolgt. Die Löschung unmittelbar nach Ablauf der Zehnjahresfrist käme in diesen Fällen zu früh und würde zu Nachteilen bei der Rechtsverteidigung führen.

go

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